Die Bibliothek des Melanchthonhauses

 
Leitung: Prof. Dr. Christian Neddens
Bibliothekarin: Dipl.-Bibl. Gerta Bauder

Online-Katalog auf dem Bibliotheksportal Karlsruhe 
Bibliothekssigel: Bret 1

  • Unterhaltsträger: Melanchthonverein Bretten und Land Baden-Württemberg
  • Funktion: Wissenschaftliche Spezialbibliothek zur Melanchthon-Forschung
  • Sammelgebiete: Melanchthon, Reformatoren und Humanisten aus Melanchthons Umgebung
  • Benutzungsmöglichkeiten: Präsenzbibliothek, Benutzung nach Anmeldung

  • Die Bibliothek des 1903 eingeweihten Melanchthon-Gedächtnishauses hat ihren Grundstock in Schenkungen und Nachlässen. Der Berliner Kirchenhistoriker Professor Nikolaus Müller (1857-1912) initiierte 1897 zum 400. Geburtstag Melanchthons die Errichtung des Melanchthonhauses, entwarf die Außen- und Innengestaltung und konzipierte die Aufgaben des Hauses, einerseits als Museum und Gedächtnisstätte, andererseits als Bibliothek mit Handschriften- und Buchbeständen aus der und über die Reformationszeit.

    Durch seine Vermittlung kamen 400 Bände aus dem Nachlass des 1896 verstorbenen Theologen Wilhelm Krafft und Dubletten der Wittenberger Lutherhalle hinzu. Darüber hinaus flossen der Bibliothek auch reichhaltige Stiftungen zu, z.B. des Großherzogs Friedrich I. von Baden, der Herzogin Marie von Anhalt - dieser Bestand ist durch die prachtvollen anhaltinischen Einbände herausgehoben - und des Brettener Stadtrats Georg Wörner. 1903 konnten ca. 3000 Titel (Monographien und Forschungsaufsätze) gezählt werden. Hinzu kamen 1912 etwa 1200 Bände aus dem Nachlass Nikolaus Müllers. Nachdem im Jahr 1960 5140 Titel notiert worden waren, wuchs der Bestand, insbesondere durch die Schenkung des 1976 verstorbenen Melanchthon-Bibliographen Wilhelm Hammer (ca. 1300 Titel, zumeist 20. Jh.) auf heute 13.055 Titel an.

    Die bibliothekarische Betreuung liegt seit 1987 in den Händen der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe und des Melanchthonhauses Bretten.
  • Grundlage der folgenden Zahlen ist ein 1946 angefertigtes maschinenschriftliches alphabetisches Bücherverzeichnis mit handschriftlichen Zusätzen späterer Zugänge. Die Angaben wurden vereinzelt durch Autopsie überprüft.

    a. Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

    Bei einem Gesamtbestand von 13.055 Titeln umfasst der historische Bestand 4.380. Er setzt sich zusammen aus einer Inkunabel, 2.207 Bänden des 16. Jahrhunderts, 164 Bänden des 17. Jahrhunderts, 343 Bänden des 18. Jahrhunderts und 1.618 Bänden des 19. Jahrhunderts; 47 Titel sind ohne Jahresangabe.

    Zu der lateinischen Inkunabel (Reuchlin) kommen aus dem 16. Jahrhundert 1.408 lateinische Drucke, außerdem 788 deutsche und 5 französische (Calvin). Aus dem 17. Jahrhundert liegen 106 lateinische und 54 deutsche Titel vor; aus dem 18. Jahrhundert 130 lateinische und 208 deutsche Titel; aus dem 19. Jahrhundert 159 lateinische und 1.445 deutschen Titel. Die übrigen Sprachen sind unerheblich: insgesamt 54 Titel (davon 16 französische, 19 griechische).

    b. Systematische Übersicht

    Die Bibliothek dient der Erforschung der Reformation und des Renaissance-Humanismus. Im Mittelpunkt steht die Beschäftigung mit Philipp Melanchthons Leben und Werk. Die Systematik, die auf den Bibliothekar Dr. D. Otto Beuttenmüller zurückgeht, trennt Primär- und Sekundärliteratur. 1.247 Bände (davon mehr als die Hälfte historischer Altbestand) sind an Werken Melanchthons vorhanden - selbständige Werke oder Werke mit Beiträgen von ihm (Vorrede, beigegebenes Gedicht etc.).

    Es war das Ziel Müllers, das gesamte wissenschaftliche und literarische Schaffen Melanchthons zu dokumentieren. Dies war angesichts des in vielen Auflagen publizierten Gesamtwerks schwierig. Doch gelang es durch umsichtige Erwerbung, die nach Halle und Nürnberg drittgrößte Sammlung an Melanchthon-Drucken aufzubauen. So liegen z.B. die Loci communes in ihren drei Fassungen (1521, 1535, 1543) mehrfach vor, ebenso die deutschen Versionen (1522, 1536, 1542, 1553). Neben den Grammatiken (griechisch und lateinisch), die mit verschiedenen Auflagen vertreten sind, dokumentieren die Editionen und Kommentare griechischer und lateinischer Autoren (Demosthenes, Cicero, Iustinus, Basilius, Hesiod, Lykurg, Heliodor, Ptolemaios, Sallust, Euripides) und die Schulordnungen die breite Wirksamkeit des Praeceptor Germaniae. Die Lehrbücher zu Rhetorik, Dialektik, Prosodie, Numismatik, Psychologie (De anima) etc. sind ebenfalls vorhanden. Das religiös-theologische Schrifttum des Reformators reicht von Bibelkommentaren über kirchenpolitische Schriften bis hin zu Deklamationen. Bei letzteren ist die Identifizierung besonders schwierig, da Melanchthon oft für Schüler und Kollegen Reden schrieb, die dann unter dem Namen des Rezitators gedruckt wurden (sehr hilfreich ist hierzu die genannte Arbeit von Horst Koehn).

    Gesammelt wurden außer dem Werke, zu denen Melanchthon nur ein Vorwort oder ein Gedicht beigetragen hat. Hervorzuheben sind die Scripta publica der Universität Wittenberg (Wittenberg 1560 ff.), die für die Zeit von 1540 bis 1561 das akademische Leben an der Leucorea anhand von Vorlesungsankündigungen, Nachrufen und Bekanntmachungen dokumentieren. Durch Vergleich der Einbandgestaltung konnte nachgewiesen werden, dass ein Exemplar von Melanchthons Römerbrief-Kommentar (M 125) aus der Privatbibliothek Luthers stammt.

    Die Bibliothek besitzt 955 Titel über Melanchthon. Für die Zeit von 1519 bis 1970 ist die Literatur über ihn von W. Hammer zusammengestellt; dort sind bei den einzelnen Titelbeschreibungen die Standorte angegeben, darunter in der Regel Bretten. Die Bestände bieten außer der Forschungsliteratur auch zahlreiche literarische Belege für Studien zur Melanchthon-Rezeption, insbesondere des 19. Jahrhunderts: Festreden, Schultheater, Belletristik, Streitschriften um Denkmalsgestaltung, populäre Anthologien etc. Sie enthalten wichtiges Material für die Wirkungsgeschichte Melanchthons, für die Kohärenz von Reformation und Humanismus, die in seinem Werke eine paradigmatische Ausprägung erfahren haben.

    Die von Melanchthon 1530 verfasste Confessio Augustana bildet eine eigene Signaturengruppe, die durch weitere evangelische Bekenntnisliteratur ergänzt ist. Melanchthons Invariata, Variata, Apologie und Corpus Doctrinae liegen vor, vor allem spätere Nachdrucke insbesondere des 17. und 18. Jahrhunderts, die Einblicke in die evangelische Lehrentwicklung bieten. Insgesamt 194 Titel (davon 162 aus dem 16. bis 19. Jahrhundert) sind hier zusammengestellt. Ein Exemplar (C 127) wurde von Johannes Noricus als Stammbuch verwendet und ist bei Wolfgang Klose verzeichnet. 178 Bände, die sich vorrangig mit dem Augsburgischen Bekenntnis beschäftigen, schließen sich an.

    Die größte Sachgruppe umfasst 2.681 Bände, vornehmlich von und zu Luther, der mit 245 Drucken aus dem 16. Jahrhundert vertreten ist. Herausragend ist eine Ausgabe des Galaterbriefes (Wittenberg 1516), die von einem Studenten als Grundlage für die Vorlesung Luthers (1516/17) benutzt und mit Marginalien nach Diktat Luthers versehen wurde. Hinzuweisen ist außerdem auf das Septembertestament, die im September 1522 gedruckte erste Ausgabe von Luthers Übersetzung des Neuen Testaments, bei der Melanchthon vor allem in Fragen des griechischen Quellentextes und der Realienkunde sein wichtigster Helfer war. Die Sachgruppe umfasst daneben Werke anderer reformatorischer und humanistischer Gelehrter der frühen Neuzeit und ermöglicht Forschungen zum Umkreis Melanchthons. An Ausgaben des 16. Jahrhunderts sind zu nennen: Beze (13 Bände), Brenz (30), Bugenhagen (35 Bände), Bullinger (33), Calvin (55), David Chyträus (38), Erasmus (66), Flacius (34), Oecolampad (19), Peucer (12, mit seltenen Ausgaben des Commentarius de praecipuis generibus divinationum), Strigel (16).

    Zum Umkreis gehören ebenfalls die Schriften der dezidierten Gegner der Reformation mit einem geringeren Anteil am Gesamtbestand (175 Bände); hervorzuheben ist die Sammlung von Drucken Witzels (19 Bände) und Schatzgeyers (8).

    In den Abteilungen Reformationsgeschichte (1.393 Bände), Buchdruck (238 Bände) und Verschiedenes (529 Bände) sind u.a. wichtige Nachschlagewerke und Forschungsliteratur zum 16. Jahrhundert vorhanden, u.a. Panzers Annales, Jöchers Gelehrtenlexikon, Georg Wills Nürnbergisches Gelehrtenlexicon, die Matrikel verschiedener Universitäten und Werkverzeichnisse zu Beza, Brenz, Bugenhagen, Luther, Oecolampad, Osiander und Reuchlin. Die Abteilung Kunst enthält 283 Bände, überwiegend Museums- und Ausstellungskataloge. Zusätzlich wurden in den letzten Jahren die Abteilungen Philosophiegeschichte (367 Bände) und Theologiegeschichte (338 Bände) geschaffen. Sie enthalten überwiegend neuere Forschungsliteratur. Neben den Büchern gibt es noch die Gruppe der sogenannten Kapselschriften (4.379 Einheiten). Es handelt sich hierbei um Zeitschriften- und Zeitungsaufsätze zur Melanchthonforschung, Sonderdrucke, sowie sonstige Veröffentlichungen in Heftform. Außerdem stehen Sammlungen von Münzen, Graphiken und Handschriften (487) als ergänzende Materialien zur Verfügung.
  • a. Online-Kataloge

    b. Zettelkataloge
    • Alphabetischer Katalog in Zettelform, geordnet nach Verfassern, bzw. Titel (bei keinem oder mehr als drei Verfassern) (bis 2005)
    • Standortkatalog in Zettelform, geordnet nach Standorten/Signaturengruppen (bis 2005)
    • Standortkatalog in Tabellenform, geordnet nach Signaturen/Sachgruppen (ab 2006)
    • Chronologische Kataloge
      • Melanchthons Werke in chronologischer Folge, maschinenschriftlicher Listenkatalog
      • Literatur über Melanchthon 1970 - 2000 in chronologischer Folge, Zettelkatalog

    c. Weitere Verzeichnisse und Beschreibungen der Bestände
    • Beuttenmüller, Otto: Vorläufiges Verzeichnis der Melanchthon-Drucke des 16. Jahrhunderts, Halle, 1960 (Drucke bis einschließlich 1524)
    • Koehn, Horst: Philipp Melanchthons Reden. Verzeichnis der im 16. Jahrhundert erschienenen Drucke, Frankfurt/M., 1985 (Das VD 16, Bd. 13, Stuttgart, 1988, nennt bei den Melanchthon-Drucken nur für zwei Titel das Melanchthonhaus als Standort (M 3523, M 3589))
    • Meisinger, Karl A.: Eine kurze Beschreibung der Handschriften. In: Archiv für Reformationsgeschichte, 24 (1927), S. 22-97
  • a. Archivalien
    Im Melanchthonhaus werden außer dem (durchgängig geführten) Inventarverzeichnis, das den Eingang und die jeweiligen Donatoren belegt, die Protokolle der Vorstandssitzungen und der Generalversammlungen des Melanchthonvereins Bretten, des Trägers des Melanchthonhauses, die Korrespondenzordner und die einschlägigen Zeitungsartikel gesammelt und aufbewahrt. Im Stadtarchiv Bretten geben die Faszikel 1424-1426, A 3433 und A 4428 Auskunft über die Geschichte des Melanchthonhauses (Museum, Bibliothek).

    b. Darstellungen
    • Anon.: [ohne Titel]. In: Zeitschrift für Bücherfreunde, 1 (1897/98), Heft 12, S. 652
    • Müller, Nikolaus: Festschrift zur Feier der Einweihung des Melanchthon-Gedächtnishauses zu Bretten, Bretten, 1903
    • Anon.: [ohne Titel]. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen, 21 (1904), S. 77 f.
    • Beuttenmüller, Otto: 30 Jahre Melanchthon-Museum. In: Der Pfeiferturm. Beilage zur Heimatgeschichte & Volkskunde Brettens und seiner Umgebung (Beilage zur Brettener Zeitung), 1 (1933), Heft 10, S. 70 f.
    • Beuttenmüller, Otto: Das Melanchthon-Gedächtnishaus in Bretten. Das Museum und die Bibliothek. In: Georg Urban (Hrsg.): Philipp Melanchthon 1497 - 1560, Bretten, 1960, S. 191-194
    • Uhlig, Eckehard: Melanchthon und Bretten - eine Spurensuche. In: Stefan Rhein (Hrsg.): Melanchthonpreis. Beiträge zur erste Verleihung 1988, Sigmaringen, 1988 (Melanchthon-Schriften der Stadt Bretten ; Bd. 1), S. 89-99
    • Rhein, Stefan: Melanchthon, Melanchthonstadt Bretten und das Melanchthonhaus. In: Melanchthonstadt Bretten. Stadtinformation. Wissenswertes über die große Kreisstadt im südlichen Kraichgau, Karlsruhe, 1989, S. 27-29
    • Hammer, Wilhelm: Die Melanchthonforschung im Wandel der Jahrhunderte. Gütersloh, Bd. 1-3 (1967-81), Bd. 4 Register (1996)
    • Klose, Wolfgang: Corpus Alborum Amicorum (CAAC), Stuttgart, 1988, S. 141 [über C 127]
    • Neuser, Wilhelm H.: Bibliographie der Confessio Augustana und Apologie 1530-1580, Nieuwkoop, 1987 [zu 33 Titeln wird Bretten als Standort genannt]
    • Rabenau, Konrad von: Melanchthonbuch aus der Bibliothek des Reformators. In: Brettens Neueste Nachrichten, Nr. 166, vom 22./23. Juli 1989, S. 25 [zu M 125]

    Stefan Rhein hat eine erste umfassende Beschreibung der Melanchthonhaus-Bibliothek publiziert (Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Hildesheim u.a., Bd. 7, 1994, S. 70-73), die von Günter Frank (Mitteilungen der D.Dr. Otto-Beutenmüller-Bibliothek der Stadt Bretten, Jg. 2, Heft 3, Mai 1999, S. 13-14) überarbeitet wurde. Die Bestands- und Katalogangaben der Rubrik „Die Bibliothek des Melanchthonhauses“ werden auf der Grundlage dieser beiden Publikationen regelmäßig aktualisiert.