Christliche Verantwortung heute

16.09.2025

V.l.n.r.: Alessia Caroppo, Christian Neddens, Martina Häusler, Tobias Wrzesinski, Gunter Zimmermann, Silja Joneleit-Oesch und Tomas Ringle.
Ein Podiumsgespräch zum Verhältnis von Glaube und Politik

Kann man mit der Bibel politische Forderungen begründen? Gehören Glaube und Politik in zwei ganz verschiedene Welten? Oder ist der Glaube einfach Motivation für das konkrete Handeln?

Die Europäische Melanchthon- Akademie Bretten hatte am Sonntag anlässlich des „Tag des offenen Denkmals“ zum Podium eingeladen und die Veranstaltung als „Werkstattgespräch“ betitelt. Denn angesichts einer sich immer stärker polarisierenden und verhärtenden Debattenkultur ist es wichtig, auch unfertige Ideen äußern, Meinungen überdenken und entgegengesetzte Positionen hören zu können. Oberbürgermeister Nico Morast eröffnete den Abend, indem er an ein vor kurzem erschienenes Buch des bekannten Soziologen Hartmut Rosa erinnerte: „Demokratie braucht Religion“. Trotz zunehmender Säkularisierung sei die Frage nach geteilten Werten und Überzeugungen für ein friedliches Zusammenleben in unserer Demokratie von entscheidender Bedeutung. Mehr denn je brauche es heute Menschen, die bereit sind sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen.

Dr. Axel Lange, der die Ausstellung zum Bauernkrieg „Meine Brettener aber blieben treu“ kuratiert hatte, schlug die Brücke zwischen den damaligen Auseinandersetzungen und der Gegenwart. Luther und Melanchthon hatten sich im Bauernkrieg vor allem mit Thomas Müntzer und mit dessen politischer Gewalt im Namen des Glaubens auseinandergesetzt. Die konkreten Forderungen der Bauern hingegen erkannten die Reformatoren in der Sache zum Teil an, kritisierten aber deren religiöse Begründung.

Zum anschließenden Podium kamen Menschen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, kirchlichen Hintergründen und der politischen Parteien, die im Landtag mit einem Abgeordneten aus dem Wahlkreis Bretten vertreten sind, zu Wort. Alessia Caroppo, Gymnasiallehrerin und Vorsitzende der CDU Ettlingen, berichtete aus dem Schulalltag, wie es gelingen kann, auch bei starken Überzeugungen ins Gespräch zu kommen. Als jemand, die selbst in den sozialen Medien aktiv ist, versuche sie einen kritischen Medienumgang zu vermitteln.

Dr. Thomas Ringle, Chefarzt der Kinderchirurgie am Helios-Klinikum Pforzheim und engagierter Christ in der neuapostolischen Kirche, betonte, wie wichtig gerade solche informellen Gesprächsformate jenseits der alltäglichen Konflikte sind, um miteinander zu reden und aufeinander zu hören – in der Politik wie in der Ökumene. „Barmherzigkeit – das ist für mich ein ganz starkes Motiv des christlichen Glaubens“, sagte Martina Häusler, Sprecherin für Kirchen und Religionsgemeinschaften der Grünen. Die Landtagsabgeordnete, die selbst viele Jahre in Integrationsprojekten und mit Arbeitslosen gearbeitet hat, betonte die Verantwortung für die Schwächsten in der Gesellschaft und die Stärkung des Wir-Gefühls. Dr. Gunter Zimmermann, Privatdozent für Neuere Geschichte und Geschäftsführer der „Christlichen Liberalen“ erinnerte an die christlichen Wurzeln des Liberalismus und hob die Selbstverantwortung des Christenmenschen hervor. Er warnte davor, wenn zunehmend Räume für den offenen Dialog und die kritische Auseinandersetzung mit Andersdenkenden verlorengehen. Eine immer wieder vermittelnde und die Diskussion öffnende Rolle nahm Tobias Wrzesinski ein. Der Geschäftsführer der DFB-Stiftungen Egidius Braun und Sepp Herberger erzählte von der Wertevermittlung im Fußball und den Möglichkeiten, eine christliche Grundhaltung des Fairplay spielerisch und mit Menschen ganz unterschiedlicher Herkünfte einzuüben.

Die lebhafte Diskussion wurde durchaus kontrovers geführt – etwa zur Frage, wie das „Wir“ gestärkt werden kann und inwieweit Politik und Religion zu trennen sind. Verbindend war, dass auf dem Podium Menschen zusammensaßen, die sich in ihren jeweiligen Bereichen auf ganz unterschiedliche Weise für das Gemeinwohl einsetzen und aus ihrem Glauben heraus Verantwortung übernehmen. Als Moderatoren-Team führten Dr. Silja Joneleit-Oesch, die zur interkulturellen Theologie beim Evangelischen Missionswerk Hamburg arbeitet, und Prof. Dr. Christian Neddens, Direktor der Europäischen Melanchthon-Akademie, durch ein anregendes, engagiertes Gespräch, das auch Platz für sehr persönliche Statements ließ.