Melanchthon und England

Studenten aus ganz Europa kamen an die Wittenberger Universität, die zur Zeit Luthers und Melanchthons die meistbesuchte in Deutschland war. Kein Zufall also, daß auch William Shakespeare seinen Hamlet in Wittenberg studieren läßt. Was Hamlet dort im einzelnen erlebt hat, ist natürlich für den Verlauf der Tragödie nicht relevant. Vielleicht aber ist der berühmteste Theatermonolog —"To be or not to be"— von einem Wittenberger beeinflußt, so daß Hamlets Studienort nicht willkürlich gewählt ist. Melanchthons auch im England der Shakespeare-Zeit benutztes Logik-Lehrbuch ("Erotemata Dialectices") bespricht nämlich ausführlich das Grundprinzip jeder Logik, daß etwas, was ist, nicht gleichzeitig auch nicht ist. Sein oder Nichtsein: das ist hier die Frage, die Hamlet und Melanchthon umtreibt, oder besser gesagt: die Hamlet ohne Melanchthon vielleicht nicht gestellt hätte.

Shakespeare konnte auf das Lehrgut Melanchthons auch in englischen Übersetzungen zurückgreifen. Im 16. Jahrhundert wurden über 20 Werke Melanchthons von verschiedenen englischen Gelehrten in die allgemeinverständliche Volkssprache gebracht. Vorlesungen über Schriften Melanchthons sind von den Universitäten in Cambridge, Eton und Oxford bekannt geworden. "Praeceptor Angliae": auch diesen Titel legt man Melanchthon bei. Gerne hätte König Heinrich VIII. Melanchthon nach England berufen. Jahre später, 1553, beschloß die Universität Cambridge, Melanchthon eine Professur anzubieten; es ist sogar in den königlichen Unterlagen der British Library die Anweisung überliefert, Melanchthon 100 Pfund für die Reise zukommen zu lassen. All diese ehrenhaften Berufungen aus dem In- und Ausland hat Melanchthon immer abgelehnt und der Universität Wittenberg die Treue gehalten.



Erotemata Dialectices, 1547



De Rhetorica, Ausgabe von 1524. Sie wurden bereits 1532 ins Englische übersetzt






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