17.02.2018 10.30 Uhr

Verleihung des Internationalen Melanchthonpreises der Stadt Bretten an Dr. Helmut Claus für seine Melanchthon-Bibliografie


Dr. Helmut Claus

 

 

Ein Lebenswerk für die Zukunft der Forschung

Festveranstaltung für den Preisträger

Dr. Helmut Claus

In einem dreijährigen Rhythmus wird seit 1988 von der Stadt Bretten der Internationale Melanchthonpreis vergeben. Dr. Helmut Claus ist der 11. Internationale Melanchthonpreisträger. Dem Preisträger war es aus Krankheitsgründen leider nicht möglich persönlich dem Festakt beizuwohnen. Für den 84-Jährigen nahm ein Kollege, Dr. Daniel Gehrt, die mit 7500 Euro dotierte Auszeichnung entgegen. Herr Dr. Gerth ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsbibliothek in Gotha, an der der Preisträger von 1959 bis 1996 wirkte und zuletzt als deren Leiter fungierte. Er und einige weitere angesehene Forscher und Institutionen, darunter die Europäische Melanchthon-Akademie (EMA) Bretten, trugen mit dazu bei, dass das umfassende Melanchton-Bibliografie-Projekt von Dr. Helmut Claus nach mehreren Jahrzehnten zu Ende geführt wurde. Herr Dr. Gehrt überbrachte die Dankesworte des Preisträgers.

Die Melanchthon-Bibliographie 1510-1560 beinhaltet ein Verzeichnis aller Drucklegungen von Werken, die von Melanchthon verfasst worden sind oder an deren Abfassung bzw. Veröffentlichung er in irgendeiner Form beteiligt war. Das Kompendium erfasst rund 3.850 Drucke.

Die in vier Büchern zusammengefassten Forschungsergebnisse, die in der Gedächnishalle nebst einem Foto des Melanchthonpreisträgers auslagen, machten den geladenen Gästen aus Politik, Kirche und Gesellschaft auf den ersten Blick deutlich, wie gewichtig dieser Beitrag für die Melanchthon-Forschung ist. Es stellt ein Instrument für die zukünftige Beschäftigung mit dem aus Bretten stammenden Reformator und Universalgelehrten dar. Dass die Abfassung des gewaltigen Oeuvres Jahrzehnte in Anspruch nahm und nun die Krönung des bibliothekswissenschaftlichen Wirkens von Dr. Helmut Claus ist, machte die Laudatio eines langjährigen Weggefährten des Preisträgers, Dr. Dr. h.c. Heinz Scheible von der Melanchthon-Forschungsstelle in Heidelberg und Melanchthonpreisträger 1997, deutlich. Die deutsch-deutsche Teilung war der Grund dafür, dass Dr. Helmut Claus die Möglichkeit versagt war, westeuropäische Bibliotheken für die Weiterforschung zu besuchen. 1966 hatte er das ursprünglich in Halle angesiedelte und in enger Verbindung mit dem ehrenamtlichen Bibliothekar des Melanchthonhauses Dr. Otto Beutenmüller angestoßene Vorhaben, als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsbibliothek Gotha übernommen.

 

Der gebürtige Chemnitzer ist studierter Slawist und Bibliothekswissenschaftler. Er promovierte über ein buchgeschichtliches Thema. Der Buchkunde gehört seine ganze Leidenschaft, das brachte Dr. Heinz Scheible immer wieder zum Ausdruck. Ursprünglich ein dienstlicher Auftrag, entwickelte sich die Melanchthon-Bibliografie für Dr. Claus immer mehr zu einem privaten Anliegen, an dessen Umsetzung die DDR-Regierungsvertreter ihn eher hinderten denn unterstützten. Erst nach der Wiedervereinigung und mit dem Eintritt in den Ruhestand widmete sich der leidenschaftliche Wissenschaftler diesem Projekt voll und ganz, das schließlich 2014 seine Veröffentlichung fand. Dr. Scheible, der seit den frühen 1960er Jahren im Austausch mit Dr. Claus steht, betonte, dass der Melanchthonpreisträger 2018 für die Wissenschaft etwas überaus Nützliches geleistet und trotz seiner angeschlagenen Gesundheit so viel persönliches Engagement für dieses preisgekrönte Lebenswerk aufgewendet habe. „Kein Buch eines Melanchthonpreisträgers ist so umfangreich“, schloss er seine Würdigung.

 

Brettens Oberbürgermeister Martin Wolff zeigte sich gleichfalls erfreut, eine Arbeit, die der Grundlagenforschung dient, auszuzeichnen. Er erinnerte daran, dass die Einrichtung des Internationalen Melanchthonpreises durch die Stadt Bretten vor nun 30 Jahren den Anfang für die Melanchthon-Forschung in Bretten markierte. Den wissenschaftlichen Aufschwung, den Bretten genommen hat, unterstrich auch die stellvertretende Vorsitzende des Melanchthonvereins, Karin Gillardon. Melanchthon-Forscher kommen heute an Bretten genau so wenig vorbei wie an Gotha, dies erklärte Dr. Daniel Gehrt im Namen des Preisträgers. Insgesamt 16 000 Einzeldokumente befinden sich im Bestand der Forschungsbibliothek. In diesem Sinne berufe sich die Melanchthon-Bibliografie von Dr. Claus, die neben rund 70 weiteren wissenschaftlichen Veröffentlichungen, einen besonderen Platz einnimmt, auf die Tradition der von ihm viele Jahre geleiteten Bibliothek.

 

Forschung beinhaltet für den Landrat Dr. Christoph Schnaudigel Zukunftsperspektive. Im Sinne Melanchthons, dem Dr. Schnaudigel eine Offenheit allem Neuem gegenüber attestierte, forderte dieser zu einer Aufgeschlossenheit gegenüber der Digitalisierung und den zeitgemäßen Medien auf. Dabei appellierte er an Kirchen und Institutionen, ihre Vorbehalte gegenüber den digitalen Medien aufzuräumen.

 

Die Melanchthonpreis-Verleihung nahm der Direktor der EMA Bretten, Prof. Günter Frank zum Anlass, eine Bilanz des Reformationsjubiläums im vergangenen Jahr zu ziehen. Den Erfolg liest er dabei nicht an den rund 13 000 Besuchern ab, die das Melanchthonhaus im Jubiläumsjahr als Ort der Reformation aufgesucht hatten. Vielmehr betrachte er in seiner Ansprache die vorausgegangenen Feierlichkeiten unter dem ökumenischen Blickwinkel. Er brachte in Erinnerung, dass der erste Melanchthonpreisträger 1988, Dr. Siegfried Wiedenhofer, ein Katholik war, der angeregt von seinem Doktorvater Josef Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI, sich mit Melanchthons Bekenntnisschriften befasste. „Man hat sich 2017 erstmals gemeinsam der Reformation vergewissert“, sagte Prof. Frank. „Damit sind die Konflikte der Reformation beendet. Wir befinden uns in einer nachreformatorischen Zeit.“ Ob dieser ökumenische Geist trägt, so Prof. Frank weiter, werde sich 2030 zum Jubiläum des Augsburger Bekenntnisses weisen, wenn sich alle zur Katholizität der Schrift bekennen.

 

Die Festveranstaltung im Melanchthonhaus Bretten wurde von der begabten, jungen japanischen Cellistin Nozomi Yumita mit Stücken von Johann Sebastian Bach begleitet.

 

Bibliografischer Hinweis auf die mit dem Melanchthonpreis 2018 ausgezeichnete Veröffentlichung von Dr. Helmut Claus.

 

Helmut Claus

Melanchthon Bibliographie 1510-1540

Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte Bd. 87


4 bändige Ausgabe mit CD-ROM

Gütersloher Verlagshaus

ISBN: 978-3-579-05378-3

€ 298,00

 

 

Dr. Daniel Gehrt (l.) von der Forschungsbibliothek Gotha nahm für den erkrankten Preisträger Dr. Helmut Claus die Auszeichnung entgegen. Im Bild zu sehen sind außerdem: (v.l.n.r.) Prof. Dr. Günter Frank, Direktor der EMA, Brettens Oberbürgermeister Martin Wolff und Laudator Dr. Dr. h.c. Heinz Scheible.  Foto: EMA

 


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