Melanchthon und Ungarn

Schon früh gelangten Schriften Luthers und Melanchthons nach Ungarn. Auch königliche Erlasse, die den Lutheranern Vermögensenteignungen und sogar die Todesstrafe androhten, konnten die Verkündigung der reformatorischen Lehre nicht unterbinden. Träger der ungarischen Reformation waren Pfarrer, Studenten und städtische Ratsherren, nicht aber die staatliche und die kirchliche Obrigkeit. Vor allem ungarische Studenten verbreiteten die neuen Ansichten in ihrer Heimat; 430 haben seit 1521 die Vorlesungen Melanchthons an der Universität Wittenberg besucht. So ist es nicht verwunderlich, daß Jakob Herrbrand 1560 in seiner Gedenkrede auch Ungarn unter den Herkunftsländern der Melanchthon-Schüler aufzählt: "Ihn zu hören strömen sie, von seinem Ruhm angezogen, aus allen Gegenden Deutschlands herbei, sogar aus fast allen Provinzen und Reichen Europas, aus Frankreich, England, Ungarn, Siebenbürgen, Polen, Dänemark, Böhmen, selbst aus Italien, ja aus Griechenland, in größter Zahl und zu allen Zeiten. Wie viele muß er im Laufe seines Lebens gehabt haben, die dankbar ihn als seinen Lehrer anerkannten und, nach allen Himmelsgegenden verstreut, die Bildungsschätze, die sie sich dort erworben haben, verwerten!"

Die meist sehr gut lateinisch sprechenden Studenten aus Ungarn nahm Melanchthon teilweise in seinem eigenen Haus auf und ließ sie am häuslichen Unterricht und am Familienleben teilnehmen. Deutsch konnten sie fast nie, so daß sie nur mit großen Schwierigkeiten dem deutschsprachigen Gottesdienst folgen konnten. Der Überlieferung nach hat Melanchthon besonders für die Ungarn an jedem Sonntag bei sich zu Hause die Bibel ausgelegt. Dann wurde das Haus zu eng, da Melanchthons lateinische Sonntagsvorlesungen überaus beliebt waren.

In Ungarn avancierte Melanchthon zum meist gedruckten ausländischen Autor. Vor allem seine Schriften zum Abendmahl wurden häufig aufgelegt, da in Ungarn sowohl Lutheraner als auch Reformierte großen Einfluß besaßen. Aber auch die griechische und lateinische Grammatik, eine Studienordnung und sogar eine Gedichtsammlung haben den Unterricht an ungarischen Schulen bereichert. Neben der Schule wurde Melanchthons Einfluß in der Kirchenorganisation bedeutsam; so bildete auf der am 20. September 1545 in Erdöd abgehaltenen Synode die von Melanchthon verfaßte "Confessio Augustana" die Grundlage der Diskussionen und Beschlüsse.



Philipp Melanchthon, Heubtartikel Christlicher Lere

Wittenberg: Veit Kreutzer, 1558, die erste deutsche Theologie Melanchthons, die 1559 im damaligen Oberungarn gedruckt wurde






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